Der russisch-ukrainische Krieg: Eine Weltblutpumpe wie im Ersten Weltkrieg | MakroTranslations

Sonntag, 22. Januar 2023

Der russisch-ukrainische Krieg: Eine Weltblutpumpe wie im Ersten Weltkrieg

Der Ukraine-Krieg ähnelt an gewissen Frontabschnitten den Schlachten des Ersten Weltkriegs – auch wenn der Blutzoll bisher noch weit unter dem liegt, was etwa die Schlacht von Verdun gefordert hat. Dennoch: Die Aussichten für die ukrainische Armee sehen düster aus und auch die Lieferung von westlichen Kampfpanzern wird daran nichts ändern.


Eine Analyse von Big Serge

Seit der überraschenden Entscheidung Russlands, sich in der ersten Novemberwoche freiwillig vom Westufer des Dnjepr bei Cherson zurückzuziehen, gab es kaum dramatische Veränderungen an den Frontlinien in der Ukraine. Zum Teil spiegelt dies die vorhersehbare Wetterlage in Osteuropa wider, bei der die Schlachtfelder in Schlammfelder verwandelt werden, was die Mobilität stark einschränkt. Seit Hunderten von Jahren ist der November ein schlechter Monat für den Versuch, große Streitkräfte über größere Entfernungen zu bewegen. Und wie auf Bestellung, konnten wir in den sozialen Medien Videos von Fahrzeugen sehen, die in den Weiten der Ukraine im Schlamm feststeckten.

Die Rückkehr zum Stellungskrieg spiegelt jedoch auch das Zusammenspiel der zunehmenden ukrainischen Erschöpfung mit den unnachgiebigen russischen Bemühungen wider, die verbleibende Kampffähigkeit der ukrainischen Streitkräfte zu zermürben und zu dezimieren. Im Donbass haben die Russen dafür den idealen Ort gefunden.

Allmählich ist deutlich geworden, dass Russland in einen Zermürbungskrieg übergegangen ist, durch den die Asymmetrie seines Vorteils beim Beschuss aus der Ferne maximiert wird. Es gibt eine anhaltende Verschlechterung der Fähigkeit zur Kriegsführung aufseiten der Ukraine, was es Russland ermöglicht, das derzeitige Tempo beizubehalten, während es seine neu mobilisierten Streitkräfte für Offensivaktionen organisiert und so die Voraussetzungen für zunehmende und untragbare ukrainische Verluste schafft.

In Ernest Hemingways Roman "The Sun Also Rises" (Auch die Sonne geht auf – deutscher Titel: Fiesta) wird ein ehemals wohlhabender, aber vom Glück verlassener Charakter gefragt, wie es dazu kam, dass er bankrottging. "Auf zwei Arten", antwortet er. "Erst allmählich und dann ganz plötzlich." Eines Tages werden wir uns vielleicht fragen, wie die Ukraine diesen Krieg verloren hat und werden wohl zu demselben Schluss kommen.

Ein Verdun im Kleinformat

Angesichts des Ausmaßes ihrer Loslösung von der Realität kann man mit Sicherheit sagen, dass die Medien des Westens äußerst niedrige Ansprüche an die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine stellen. Aber selbst unter Berücksichtigung dieses niedrigen Standards ist die Art und Weise, wie der Kampf um Bachmut dem eigenen Publikum präsentiert wird, absolut lächerlich. Der Kampf um Bachmut wird als perfekte Synthese aller Metaphern eines russischen Scheiterns präsentiert. Kurz gesagt lautet die Essenz: Russland erleidet schreckliche Verluste, während es darum kämpft, eine kleine Stadt mit geringfügigem strategischem Wert zu erobern. Insbesondere britische Offizielle haben in den vergangenen Wochen darauf bestanden, dass Bachmut wenig bis gar keinen strategischen Wert hat.

Das Gegenteil dieser Behauptung ist jedoch wahr: Bachmut nimmt eine strategisch-operativ entscheidende Schlüsselstellung in der ukrainischen Verteidigung ein. Russland hat diesen Ort in eine Grube des Todes verwandelt, was die Ukrainer dazu zwingt, eine exorbitante Anzahl von Soldaten zu opfern, um diese Stellung so lange wie möglich zu halten. Tatsächlich ist das Beharren darauf, dass Bachmut strategisch oder operativ nicht von Bedeutung ist, eine Beleidigung für das westliche Publikum, weil sowohl ein kurzer Blick auf eine Landkarte die Stadt deutlich im Herzen eines regionalen Straßennetzes zeigt, als auch weil die Ukraine eine große Anzahl von Einheiten dorthin verlegt hat.

Aber machen wir doch einen Schritt zurück und betrachten Bachmut im Kontext der Gesamtposition der Ukraine im Osten. Die Ukraine begann den aktuellen Krieg mit vier ausgebauten Verteidigungslinien im Donbass, die in den vergangenen acht Jahren angelegt wurden, sowohl als Folge des Krieges gegen die Volksrepubliken Lugansk und Donezk (LVR und DVR) als auch als Vorbereitung auf einen möglichen Krieg gegen Russland. Diese Verteidigungslinien sind um städtische Ballungsräume herum strukturiert, die miteinander durch Straßen- und Schienen verbunden sind und grob wie folgt dargestellt werden können:


Ukrainische Verteidigungslinien im Osten, Big Serge

Der Donbass ist ein besonders geeigneter Ort, um effiziente Verteidigungslinien zu errichten: Er ist stark urbanisiert und industriell. Donezk war vor 2014 die urbanisierteste Region in der Ukraine, mit über 90 Prozent der Bevölkerung, die in städtischen Gebieten lebten, die von robusten, typisch sowjetischen Gebäuden dominiert werden, zusammen mit großangelegten Industriekomplexen. Die Ukraine hat einen Großteil des vergangenen Jahrzehnts damit verbracht, diese Verteidigungslinien auszubauen. Die Siedlungen an der Front sind mit Schützengräben durchzogen, wie auf Satellitenbildern deutlich zu erkennen ist. Ein Video aus Awdejewka zeigt das Ausmaß der ukrainischen Befestigungsanlagen.

Wenden wir uns dem Zustand dieser Verteidigungsgürtel zu. Der erste Gürtel, der ungefähr von Sewerodonezk und Lissitschansk nach Popasna verlief, wurde im vergangenen Sommer von den russischen Streitkräften durchbrochen, nachdem diesen ein großer Durchbruch bei Popasna gelungen war, worauf Lissitschansk Anfang Juli eingenommen wurde. Seither verläuft die Frontlinie direkt entlang dessen, was ich als den zweiten und dritten ukrainischen Verteidigungsgürtel bezeichne – und beide Gürtel bluten derzeit stark.

Die Eroberung von Soledar durch die Truppen von Wagner hat die Verbindung zwischen Bachmut und Sewersk durchtrennt. Während um Donezk herum der stark befestigte Vorort Marinka fast vollständig von ukrainischen Truppen gesäubert wurde, ist die berüchtigte ukrainische Stellung in Awdejewka – jener Ort, von dem aus die Zivilbevölkerung der Stadt Donezk beschossen wird – jetzt an zwei Flanken durch russische Truppen bedroht.