Vincent Ferrara
11. April 2023
Während die Lage vor Ort in der Ukraine für die Truppen von Kiew sehr unsicher erscheint, haben in den Vereinigten Staaten interne Probleme und die Umweltkatastrophe in Ohio die amerikanische Unterstützung für Zelenskys Sache verringert. Die Milliarden von Dollar, die ins Ausland fließen, die Müdigkeit eines Krieges, der im Vergleich zu den Siegesmeldungen der ersten Monate zu lange dauert, der nun bevorstehende Wahlkampf: Diese und andere Elemente haben zu einem starken Rückgang der Unterstützung in den USA geführt, wie die jüngsten Umfragen zeigen.
Um besser zu verstehen, was die Amerikaner über den Ukraine-Konflikt denken, und um eine Expertenmeinung zu den Zukunftsaussichten zu erhalten, wandte sich Policy Tools an den ehemaligen Oberst der US-Armee und ehemaligen Berater des Verteidigungsministers Douglas MacGregor, Buchautor und Militärberater. Es ist nicht das erste Mal, dass der Offizielle Washington vorwirft, die Bürger mit einem falschen und tendenziösen Narrativ zu täuschen, das leider auch viele europäische Länder eint.
Heute warnt Macgregor vor denjenigen, die diesen Krieg noch viel länger hinauszögern wollen: Stattdessen ist es wahrscheinlich, dass wir in einigen Monaten eine Situation erreichen werden, in der Washington nicht mehr in der Lage sein wird, Waffen und Geld im gewohnten Tempo nachzuschieben und sich zwangsläufig den Problemen im eigenen Land widmen muss. Aber zu diesem Zeitpunkt werden die Amerikaner bereits einen internen Krieg führen, der aus Wirtschaftskrisen und nationalen Notlagen besteht und in dem es um das Überleben ihrer Zivilisation und ihrer Lebensweise geht.
- Manche sagen, dass die natürliche zeitliche Grenze für den Konflikt in der Ukraine die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 sind. Stimmen Sie dieser Ansicht zu? Und inwieweit wird die Unterstützung des Weißen Hauses für Zelensky von der Wahlkampagne abhängen?
- Die Unterstützung Washingtons für Zelensky hängt von mächtigen Lobbys und Interessen ab, die von einer Agenda diktiert werden, die nichts mit dem nationalen strategischen Interesse der USA zu tun hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Amerikas Kriege auf dem Territorium anderer Nationen geführt, aber die sich abzeichnende Finanzkrise, die Kriminalität in den US-Städten und die offenen Grenzen bringen eine neue Art der Kriegsführung direkt auf US-Boden. Dieser Krieg ist ein Kampf um das Überleben der westlichen Zivilisation und der amerikanischen Republik in Nordamerika, was sich in einem abnehmenden Interesse der Amerikaner am Stellvertreterkrieg in der Ukraine und einer sinkenden Unterstützung für diesen Krieg äußert.
- Umfragen zeigen, dass die amerikanischen Bürger es leid sind, die ukrainische Regierung bedingungslos und so lange zu unterstützen, wie Biden es für notwendig hält. Was denken die Bürger über den Ukraine-Konflikt? Nehmen sie ihn als ideologischen Krieg wahr?
- Den amerikanischen Bürgern - wie auch den meisten europäischen Bürgern - wurde ein völlig falsches Bild vom Konflikt in der Ukraine vermittelt. Da Russland der Kern der Sowjetunion war, war es leicht, Amerikaner und Europäer davon zu überzeugen, dass die Russische Föderation schlecht ist und in der Ukraine besiegt werden muss. Aber die Wahrheit findet immer noch ihren Weg zu den Massen, wenn auch sehr langsam. Immer mehr amerikanische Bürger stellen sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, Russland wegen der Ukraine zu konfrontieren und eine Regierung wie die von Kiew zu unterstützen, die immer korrupter und repressiver wird.
- Der Kongress hat Dutzende von Milliarden Dollar an militärischer und humanitärer Hilfe für die Ukraine bewilligt. Wie stehen die Amerikaner zu diesen riesigen Geldbeträgen, die im Ausland landen? Sind sie der Meinung, dass das Geld in die internen Probleme des Landes gehen sollte, insbesondere nach der jüngsten Katastrophe in Ohio?
- Wie bereits erwähnt, hat der amerikanische Durchschnittsbürger kein wirkliches Interesse an der Ukraine. Angesichts der Verschärfung der globalen Finanzkrise und der Verlangsamung der US-Wirtschaft kann für einen Amerikaner nichts, was im Ausland passiert, wichtiger sein als die Lösung der Probleme, die er bereits zu Hause hat. Das war schon immer so, und das wird auch in naher Zukunft so sein. Wann haben die Briten Indien verlassen? Sie verließen es 1947, als das Verhältnis von Schulden zu BIP 240 % erreichte. Mit anderen Worten: Das Vereinigte Königreich verließ Indien, als es sich den Verbleib dort nicht mehr leisten konnte. Mit der Zeit wird auch Washington feststellen, dass es unmöglich ist, den massiven Kapitalverlust in der Ukraine zu ertragen.
- Bakhmut könnte sich als entscheidend erweisen, um den Russen den Weg in die Zentralukraine zu öffnen. Die westlichen Medien neigen jedoch dazu, seine Bedeutung herunterzuspielen oder ihn sogar zu ignorieren. Kann es dem Krieg der Narrative gelingen, sogar das Ergebnis auf dem Schlachtfeld zu besiegen?
- Der Ausgang des Krieges wird sich auf dem Schlachtfeld entscheiden. Je weiter die Wochen vergehen, desto mehr verliert das Washingtoner Narrativ an Kraft und Glaubwürdigkeit. Wenn der ukrainische Boden hart und trocken genug ist, werden russische Bodentruppen angreifen und die ukrainischen Regionen östlich des Dnjepr unter ihre Kontrolle bringen. Dann wird Moskau beschließen, nach Westen vorzustoßen und Odessa, eine historisch russische Stadt, zu erobern.
Wenn Washington jedoch weiterhin Feindseligkeiten in der Ukraine schürt, werden die Russen bis zur Grenze zu Polen vordringen. Und während sich diese Ereignisse in den Monaten Juni, Juli und August abspielen werden, müssen sich die Amerikaner auf innenpolitische Notfälle konzentrieren. Erinnern wir uns daran, dass die Vereinigten Staaten eine See- und Raumfahrtmacht sind, aber nur in der westlichen Hemisphäre eine Landmacht. Wenn sich die Umstände außerhalb Amerikas gegen die Interessen der USA wenden (und/oder ihnen das Geld ausgeht), wird man in Washington einfach beschließen, das zu tun, was man schon früher getan hat: wegzusegeln oder abzuhauen und nach Hause zu gehen.
Vincent Ferrara
Lebt seit 2006 in Moskau. Übersetzer aus dem Russischen und Englischen, Sprachlehrer für Italienisch. Seit 2015 führt er den Videorückblick, in dem er über die positiven Nachrichten über Russland und die Zusammenarbeit zwischen Italien und Russland spricht