Der Schwerpunkt dieser Woche liegt auf der Eigenständigkeit, einem Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt und komplexer ist, als es scheinen mag.
Die Kehrseite des Rückgangs der Hyperglobalisierung ist der Anstieg der nationalen Eigenständigkeit. Wir können beobachten, wie sich diese Dynamik in Echtzeit auf der ganzen Welt ausbreitet, insbesondere in China und den USA: Obwohl die beiden Nationen immer noch durch Investitionen und Handel in Höhe von Billionen von Dollar / RMB verbunden sind, versuchen sie, ihre Abhängigkeit voneinander auszugleichen, indem sie ihre Eigenständigkeit mit ihren eigenen Ressourcen und Technologien erhöhen.
Diese Verringerung einer starken Quelle der Instabilität (Abhängigkeit) zugunsten der nationalen Eigenständigkeit ist eine positive Entwicklung. Genauso wenig wie Haushaltsunabhängigkeit Selbstversorgung bedeutet (was ich in Self-Reliance in the 21st Century erkläre), bedeutet nationale Unabhängigkeit nicht Selbstversorgung: Handel und diplomatische Beziehungen mit anderen Nationen sind von Vorteil, aber es ist niemandem gedient, sich so sehr an andere Nationen zu binden, dass Erpressung zu einer Versuchung wird.
Aber der Rückzug aus der Welt birgt auch Risiken. Das Ideal ist ein dynamisches Gleichgewicht zwischen nationalen Interessen und globalen Verbindungen, die allen zugute kommen, d. h. Verbindungen, die die Zusammenarbeit und die globale Stabilität fördern.
Mit anderen Worten: Nationale Eigenständigkeit ist kein Ersatz für globales Engagement und Kooperation, sondern eine stabilisierende Kraft, die vorteilhafte globale Beziehungen ermöglicht. Abhängigkeiten sind Quellen der Instabilität und des Risikos, da jede Seite unter dem Druck steht, das zu bewahren, was als wesentlich angesehen wird, und dies erhöht tendenziell das Risiko unüberlegter Entscheidungen und Handlungen.
Das ideale globale Arrangement ist ein transparenter Ideen- und Informationsfluss, der es jedem Teilnehmer ermöglicht, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Aus dieser Perspektive besteht die Gefahr nicht darin, dass China versucht, sich von westlicher Technologie unabhängiger zu machen, d. h. selbständiger zu werden; die Gefahr besteht darin, dass China den Ideenfluss von außen mit der Großen Brandmauer blockiert. (Meinen Quellen zufolge sind in China keine US-Nachrichtenseiten verfügbar, mit Ausnahme einer Handvoll Anti-Establishment-Seiten.)
Im Laufe seiner langen Geschichte hat sich China der Welt geöffnet und ist aufgeblüht, dann hat es sich wieder verschlossen und stagniert. Ein Jahrhundert nach dem Ruhm der riesigen Flotte von Admiral Zheng He, die Anfang des 14. Jahrhunderts die Küsten Afrikas erreichte, verbot China alle Hochseeschiffe und unterdrückte den von anderen Nationen angestrebten Seehandel.
Dass Ideen von außen als potenzielle Bedrohung für den heimischen Status quo angesehen werden, ist ein allgemeines Merkmal der Geschichte. Viele nationale Eliten haben versucht, Ideen und Informationen zu blockieren, während sie gleichzeitig versuchten, Technologien und Kapital anzuziehen, da diese nicht nur der heimischen Wirtschaft, sondern auch dem persönlichen Reichtum der Eliten und ihrer Machtbasis zugute kommen.
Kapital und Technologie sind jedoch ein heikles Thema. Kapital, das in ein Entwicklungsland fließt, kann von Vorteil sein, aber es kann auch die einheimische Wirtschaft überwältigen und ausbeuten, was zu einer Neokolonialisierung der Produktionsmittel des Landes führt. Kapital, das aufgrund überschüssiger Ersparnisse aus einem Land abfließt, kann eine positive Quelle für Investitionsmöglichkeiten sein, aber dieser Kapitalabfluss kann die Wirtschaft auch aushöhlen, vor allem, wenn er mit einem gleichzeitigen Verlust an Humankapital einhergeht, das sich anderswo bessere Chancen sucht.
Billige Kredite scheinen für kreditbedürftige Länder attraktiv zu sein, aber sie haben einen schrecklichen Preis, da die Verschuldung schnell auf ein untragbares Niveau ansteigt und sowohl Kreditnehmer als auch Kreditgeber gezwungen sind, Verluste zu absorbieren und sich zurückzuziehen. China wird im 21. Jahrhundert durch die Belt and Road Initiative in dieser Dynamik unterrichtet, die zurückgeschraubt wurde, als die Kredite ausfielen und die Transfers von Vermögenswerten die Angst vor einem Neokolonialismus aus dem Osten schürten.
Eine geliehene Technologie stagniert, wenn nicht das gesamte System, das die Entwicklung dieser Technologie ermöglicht hat, ebenfalls importiert wird. Das wichtigste Merkmal dieses Technologiemotors ist nicht das Geld, auch wenn es eine Zutat ist; das wichtigste Merkmal ist der freie Fluss von Ideen und Informationen, der nicht durch die Einmischung von Eliten und Politik behindert wird.
Es ist nicht einfach, ein Gleichgewicht zwischen inländischer Eigenständigkeit und globalem Handel sowie Kapital- und Informationsflüssen herzustellen. Wenn man die Tür für Ideen, Kapital und Informationen von außen verschließt, führt dies in der Regel zu Stagnation, während das ungehinderte Öffnen der Schleusen zu destabilisierenden Abhängigkeiten, Kreditblasen, Ausbeutung und Neokolonialismus führen kann.
Die nationale Eigenständigkeit hat ein ganzes Vokabular hervorgebracht. In China hat Präsident Xi Jinping einen "gesamtnationalen Ansatz" gefordert, um die heimische Technologieproduktion zu steigern. In den USA umfasst das Vokabular Reshoring, Onshoring, Friendshoring und strategische Allianzen.
Die Hyperglobalisierung hat auf vielen Ebenen und an vielen Orten verheerende Folgen. Ein Gleichgewicht zwischen globalisierten Handels- und Kapitalströmen und inländischer Eigenständigkeit und Kontrolle von Krediten und Kapital ist eine positive Entwicklung für alle. Eine ausgewogenere Weltwirtschaft bietet jedem Land, das die dynamische Stabilität von Eigenständigkeit und globalem Engagement anstrebt, das Potenzial für fortgesetzte globale Zusammenarbeit und Engagement sowie für nationale Entwicklung.
Gordon Long und ich erörtern Handel und Lieferketten ausführlich in unserem Podcast zur Eigenständigkeit (45 Min.).